Die neue Dirigentin des Männerchores in Judenbach, Evelyn Vogel, ist zum ersten Mal am Werk.
Text und Fotos: Moritz Bauer 14.09.2023 inSüdthüringen.de
Das Bergdorf Judenbach verwandelte sich am vergangenen Wochenende gleich aus doppeltem Grund in ein Mekka der überregionalen Chormusik.
Tradition und Moderne begegneten sich auf fulminante Weise inmitten eines chormusikalischen Festivals im Kultursaal „100“. Mehrere hundert Gäste feierten zwei Jubiläen auf einen Schlag: Der traditionsreiche Männerchor Judenbach darf in diesem Jahr auf sein 145-jähriges Bestehen zurückblicken, während sich das Kreischortreffen zum 40. Mal jährt.
Wer einen Parkplatz mit kurzem Fußweg zum Judenbacher Kultursaal bekommen wollte, der musste am Samstagabend sehr zeitig in der Alten Handelsstraße anreisen. Dass sich das prallgefüllte Festprogramm der Judenbacher Sänger zum regionalen Besuchermagneten entwickeln würde, überraschte freilich wenig. Auch ohne integrierten Chorgeburtstag stellt das jährlich stattfindende Kreischortreffen im Herbst eine feste Größe im chormusikalischen Kulturkalender dar. Seit der 10. Ausgabe des Klassikers im Jahre 1991 findet das Chortreffen mit Chören aus Südthüringen und Oberfranken immer im zweitgrößten Föritztal-Ortsteil statt. Mit Ausnahme von zwei pandemiebedingten Absagen gab´s seitdem Jahr für Jahr eine breite Variation an klingenden Titeln, die die traditionsreiche Chormusik attraktiv in Szene setzte. Nachdem die Instrumentalcombo „Die Rebachtaler“ am Samstag mit beschwingten Tönen den Startschuss für einen langen Abend der Musik gab, läuteten die Gastgeber ihre Geburtstagsparty selbst ein. Der 1. Vorsitzende Hermann Roos, der mit seinem neuen Vorstandsteam seit Frühjahr dieses Jahres im Amt ist, begrüßte alle Anwesenden. „Ich möchte keine große Rückschau halten, sondern lieber im Jetzt und Morgen bleiben“, ließ Roos in seiner Rede verlauten. Er appellierte daran, mit Musik eine Kultur des Zusammenhalts statt eine Kultur des Egoismus zu erschaffen und sprach sich für mehr Achtung und Respekt im gegenseitigen Miteinander aus: „Musik ist ein tolles Mittel, um wieder mehr Optimismus hinaus in die Welt zu tragen.“
Den musikalischen Führungsstab übernahm daraufhin der renommierte Chorleiter Klaus Mechthold – zum letzten Mal nach 48 Jahren. Ein emotionaler Abschied des pensionierten Musiklehrers mit Kultstatus vor vollen Rängen war selbstverständlich vorprogrammiert. Während schon einige Gratulanten auf die Bühne traten, bebte das Halbrund – Standing Ovations für den dienstältesten Dirigenten weit und breit, der nun in seinen wohlverdienten Ruhestand eintritt und seinem Chor dennoch als Sänger erhalten bleibt. „Die Chemie zwischen dem Chor und mir stimmt nach wie vor und auch gesundheitlich geht es mir Gott sei Dank gut. In den letzten anderthalb Jahren habe ich aber zunehmend gemerkt, dass meine Auffassung von Chormusik nicht mehr so recht in den Mainstream mit seinen neuesten Entwicklungen passt. Deswegen lege ich meinen Dirigentenstab nun nieder“, offenbart Klaus Mechthold. 1975 hatte Mechthold den Chor seines Heimatdorfes nach Abschluss seines ersten Studienblocks in Weimar aus den Händen seines Schwiegervaters übernommen und seitdem ohne größere Unterbrechungen geleitet. In diesem Zuge dankte er nicht nur seinem treuen Publikum, sondern vor allem seiner Ehefrau Ursel für den Rückhalt. Und dann sollte es so aufhören wie es einst angefangen hatte. „Frisch gesungen“ war der erste Titel, den Mechthold für seinen Chor 1975 dirigiert hatte und nun sollte das Lied von Friedrich Silcher auch den Schlusspunkt seiner Chorleiter-Karriere im Jahre 2023 setzen. So proklamierte Klaus Mechthold die traditionelle Inszenierung des „Obstler vor dem Chore“ ein letztes Mal für sich, bevor er mit seinen Sängern die Bühne zum letzten Mal als Dirigent verließ. Für breites Schmunzeln sorgte im ersten Block auch der Titel „Zu viel Pfund am Hosenbund“, den Solist Andreas Kunze im Wechselspiel mit der stimmgewaltigen Chormenge humoristisch vertonte.
Den musikalischen Staffelstab übernahm dann der Männerchor 1876 Schmalenbuche e.V. mit seinem Chorleiter Dirk Eichhorn, welcher wie alle Ehrengäste, befreundeten Chöre und Vereine ein Geburtstagsgeschenk mit nach Judenbach gebracht hatte. Zumeist ließ sich in den exklusiv zusammengestellten Präsentkörben so manch feines Stöffchen ausmachen, welches dem Ölen der Stimmen Genüge tun wird. So bekam man am Samstagabend von den Schmalenbuchenern den Klassiker „Mein kleiner grüner Kaktus“ zu hören, der ansonsten regelmäßig im reichhaltigen Repertoire der Gastgeber zu finden war. Ehe die Ehrengäste und die Judenbacher Vereine zu Wort kamen, sang „Bebos“, die kleine Besetzung des Judenbacher Frauenchores, ihrem Männerchor noch eine besondere Liebeserklärung.
Auch im eigenen Dorf genießt das 145 Jahre alte Geburtstagskind großen Rückhalt und viel Anerkennung für das ehrenamtliche Engagement: Dorfleben Judenbach, die Freiwillige Feuerwehr, der Sportverein Germania, der Theaterverein Schwammastürer und natürlich die Sängerinnen des Frauenchores reihten sich in den Reigen der Gratulanten ein.
Aber wo ein Dirigent abtritt, muss eben auch eine geeignete Nachfolge her – als neue Chorleiterin tritt Evelyn Vogel in die großen Fußstapfen ihres altgedienten Vorgängers und wurde am Samstagabend von den Vorständen Hermann Roos und Frank Streng offiziell als aktives Mitglied in den Kreis der Sangesherren aufgenommen.
Ob sich das musikalische Feuerwerk trotz voranschreitender Stunde fortsetzen sollte? Daran ließ der Frauenchor Judenbach unter Chorleiterin Barbara Zach und der Gesangsverein 1904 Crock unter Chorleiter Robert Witter keine Zweifel aufkommen. Mit schwungvollen Zwischenspielen der Rehbachtaler und weiteren Einlagen der Chöre aus Mellenbach-Glasbach verlor auch das letzte Drittel kein bisschen an Fahrt. Die Feuertaufe der designierten Männerchor-Dirigentin Evelyn Vogel gelang im letzten Block nicht nur mit der stimmgewaltigen Vertonung des Judenbach-Liedes, sondern auch mit der deutschen Interpretation von „The Wellermann“, zu dem sich der Männerchor auf dem Berg passenderweise vom Walfang in den großen Weltmeeren distanzierte.
Wie gewohnt setzte das Finale furioso ganz am Ende noch das I-Tüpfelchen obendrauf. Den chormusikalischen Kehraus performten beide Judenbacher Chöre in klangvoller Eintracht mit dem ABBA-Klassiker „Danke für die Lieder“ und verabschiedeten sich von ihren Zuschauern am Samstagabend. Doch damit war die Geburtstagsparty noch lange nicht vorbei – die Combo „Die Rehbachtaler“ legte nun inmitten das Saales richtig los und brachte Leben auf die Tanzfläche, sodass das Licht im Kultursaal erst weit nach Mitternacht erlosch.
Nach einer kurzen Nacht machten die Judenbacher Sänger dort weiter, wo sie kurz zuvor aufgehört hatten. Ein musikalischer Früh- und Nachmittagsschoppen bei Weißwurst, Leberkäse und Weißbier lockte einige Gäste auf das Freigelände am Kultursaal. Den Familiennachmittag gestalteten die Bläser der Musikvereine Heinersdorf und Lichtethal klangvoll aus und auch eine große Zauberschau mit Roland Spielmann mit dem Titel „Der Geist des Spielzeugs“ brachte Abwechslung in den hochsommerlichen Septembertag.